Samstag, 17. Juni 2006

ÖVP sucht Charakter und Anstand, FPÖ befürchtet Belästigung von Flüchtlingskindern und Caritas präsentiert...

Während in Österreich die Zahl der AsylwerberInnen weiter zurückgeht (um fast ein Drittel!), ein weltweiter Trend, da die Flüchtlinge immer mehr in Flüchtlingslagern gefangen, äh, aufgefangen werden, bricht in Österreich einmal mehr der Kampf um die Flüchtlinge aus - keiner will sie haben. Und so verweist Oberösterreichs Landeshaupt Pühringer auf die pösen Purschen Tirol und Kärnten, die die noch weniger haben wollen (hier in der Presse ). Dies alles anläßlich der schwarz-grünen Halbzeitbilanz, bei der er auch betont, dass er nicht mitmachen will im aktuellen Wettkampf, wer grauslicher ist gegen AusländerInnen (hier im Standard) - stattdessen fordert er Charakter und Anstand gegenüber AsylwerberInnen: na dann viel Erfolg! Denn da hat er schon in seinem Land viel zu tun, wie Caritas bis Rotes Kreuz monieren... Nicht anders schaut es in Niederösterreich aus, stellen Caritas und Diakonie fest. Und mit den Menschenrechten braucht mensch es auch nicht so genau zu nehmen...

Und dann wäre da noch Graz, wo ein neues AsylwerberInnenheim der Caritas für Frauen, Männer und Kinder entstehen soll. Gegen das macht der Ortsteil und die FPÖ mobil. In einer Presseaussendung sorgt sich die FPÖ offenbar um eine Zunahme von Belästigungen und Vergewaltigungen der Kinder und Jugendlichen - wobei im Standard-Artikel offen bleibt, ob nun die Flüchtlingskinder belästigt und vergewaltigt werden oder belästigen und vergewaltigen. Da wir in Österreich sind, haben Standard und Caritas auch eine PR-Gegenoffensive: es handelt sich hier natürlich nicht um ein Flüchtlingsheim, sondern um eine Art Arbeitslager mit strengem Tagesablauf...

Um es zusammenzufassen: während Österreich die erste Gemeinschaftsabschiebung probt, fordert UN-Generalsekretär Kofi Annan in einem Presse-Gastkommentar eine win-win-Situation für MigrantInnen, Aufnahmeländer und Herkunftsländer...

Bleibt zu lesen: dieser Kommentar in der Presse (bezieht sich auch auf diesen Artikel - während immer weniger Flüchtlinge nach Österreich fliehen können, wird Österreich trotzdem zum "Einwanderungsland", weil immer mehr EuropäerInnen v.a. nach Wien ziehen).

Wirtschaftsbosse erproben Herz und Hirn...

Hart ins Gericht gehen die WirtschaftsbossInnen Österreichs mit Ihrem Volke - und seiner negativen Stimmung, was EU und EU-Osterweiterung angeht. Ex oriente lux, oder eigentlich pecunia, so ihr Credo, auch für einen offeneren Arbeitsmarkt und den "Blick über Tellerand" bzw. gegen "Grenzen in Herzen und Hirnen"(hier im Standard, hier in der Presse). Tatsächlich hat Österreich nicht schlecht profitiert, aber ob diese Botschaft ankommt?

Österreich - der Hort der frei(heitlich)en Frauen...

Während über einen Antrag der Freiheitlichen in Innsbruck, das Tragen von Kopftüchern an Schulen zu verbieten, gar nicht erst abgestimmt wurde, will nun auch der oberösterreichische FPÖ-Obmann ein Kopftuchverbot - als befreiender Akt für Frauen... Aha. Denn diese hätten ein Recht, wie österreichische Frauen zu leben. Aha. Wieso Recht? Es klingt nach Pflicht. Kinder "schließen die Frauen vom öffentlichen Leben aus, nötigen sie in eine Abhängigkeit ihrer männlichen Familienmitglieder und hindern sie an einer freien, selbstständigen Teilhabe an der Welt.", wird er zitiert. Ähem, er sprach natürlich von Kopftüchern. Wer im Glashaus sitzt... und so gehört die Gefahr vergewaltigt zu werden, natürlich nicht zur österreichischen Frau, und ebenso wenig die Aufforderung, ein solches Verbrechen zu vertuschen eine Anzeige zu überdenken. Und natürlich sprach Rest-Hinterseer nicht über Nonnen oder Musliminnen, als sie sagte "Die Ausgrenzung von Frauen und die Männerlastigkeit der Agrarpolitik ist nicht nur einer lebensnahen Politik abträglich, sondern auch demokratiepolitisch höchst bedenklich". Sie sprach von Bergbäuerinnen, mit oder ohne Kopftuch...

(Unbenommen geht es in der muslimischen Welt auch ohne Kopftuch... wie mensch sieht, wenn sich die muslimische weibliche Leitungsspitze beim Frauen-Davos (sic! vgl. auch im Standard) in Kairo trifft... und wir warten noch auf das freiheitliche muslimische Frauen-Davos...)

London jagt "ausländische Schwerverbrecher"

Ein kleines gallisches Dorf... ach nein, wir sind ja bei Schottland versus England.

Die Vorgeschichte: helle Aufregung im post-Empire - etwa 1000 Straftäter ausländischer Herkunft laufen doch frei im Königreich herum, nachdem sie ihre Gefängnisstrafe absaßen. Theoretisch hätte danach eine Ausweisung geprüft werden müssen, aber wie Behörden so sind... Jetzt laufen also die Vergewaltiger und SchwerverbrecherInnen frei durch die sanften Hügel Englands und sind einfach nicht zu finden. Zum Glück meldet sich da einer - er beantragt die britische Staatsbürgerschaft.

Der junge Mann thailändischer Abstammung ist vor 13 Jahren mit 10 Jahren auf die Shetland-Insel gekommen, als seine Mutter dorthin heiratet - und bald bestens integriert, hat er doch keine Beziehungen nach Thailand. Auch die Sprache verlernt er rasch. Stattdessen vertritt er Shetland erfolgreich im Sport. Als sein Stiefvater stirbt, kurz darauf sein Kind, lässt er sich allerdings gehen - im Vollrausch zündet er ein Auto und ein Kabinchen an. Und akzeptiert eine 15monatige Gefängnisstrafe. Nach 8 Monaten ist er wieder draußen, "gute Führung" scheint noch eine Untertreibung. Er erhält auch sofort seinen Job zurück, in der kleinen Insel-Community, die durchaus auch sehr hart urteilen kann, ist mensch froh, den alten Sakchai Makao zurückzuhaben. So vergehen die Jahre...

... bis eben helle Aufregung im Innenministerium und im ganzen Reich herrscht, siehe oben. Da die Schwerverbrecher gerade nicht so greifbar sind, schickt mensch eben eine 8-köpfige Spezialeinheit zu Makao los - Überraschung, Überraschung -, um ihn frühmorgens aus dem Bett zu reißen und 600 km weiter in ein Hochsicherheitsgefängnis zu stecken. Ein Erfolg mehr...

... und nun in Schottland helle Aufregung: denn die SchottInnen dürfen über ihre inneren Angelegenheiten nicht selbst bestimmen, dafür ist London zuständig. So fordert eine empörte Leserin im Herald den Innenminister (einer der unsichersten Posten im Königreich) auf: "Our society needs good people like Sakchai Makao. Give him back, or suffer the anger of an outraged Shetland community." Ron Ferguson, die moralische Stimme des Herald, berichtet im Herald unter der Überschrift "Why islanders are right to fight for Sakchai Makao": "An appeal against deportation is being lodged today, along with a request that Makao can be allowed out on bail. The information I had late yesterday afternoon was that the Shetland community would put up the bail money and guarantee his future good conduct." Tatsächlich würde auch sein Arbeitgeber die Kaution zahlen. Und auch der Independet berichtet:
A huge campaign has now been started by Shetlanders, calling on the Home Office to scrap his deportation notice. More than a third of the island has signed a petition of support for the young man, which has also been backed by the Church of Scotland, and protests are taking place throughout the week.
Leider sind die Shetland-Inseln klein und London weit weg...

Aktualisierung: hier im Scotsman ist heute ein guter Überblicksartikel eingestellt worden unter dem Titel "Sakchai Makao and an island community in revolt"

Gewinnt Ghana die ethische WM?

Die Schotten sind auf den Inseln ein eigenes Völkchen. Der "Landeshauptmann" (A, in D: Mininsterpräsident) von Schottland ist selbstverständlich bei der aktuellen WM auf der Seite der Gegner von England. Diese schottische Eigenart wird im schottischen Herald kritisiert: vielmehr solle mensch aktiv Afrika unterstützen, das Word Development Movement hat ethnische Kriterien erstellt, Ghana ganz oben, USA ganz unten. Kein Wunder bei Spielergeschichten wie die von Mantoras:

Pedro Mantorras was brought up in Sambizanga, a shanty town on the edge of the Angolan capital, Luanda. Like half the city's 4m population, Mantorras's family were refugees, displaced by Angola's 27-year civil war. His father was killed when he was three and his mother died when he was 16, making him responsible for younger siblings.

Kopfhaar-Diskussion

Anders als in Österreich gibt es in Großbritannien keine Kopftuch-Diskussion - dafür ist z. Z. ein Schüler von seinen Abschlussprüfungen ausgeschlossen worden, da er seine Haare in Form der englischen Fahne hatte schneiden lassen (nicht einmal färben, wohlgemerkt), meldet die BBC. Schon zuvor war ein Schüler vom Unterricht suspendiert worden, da er seine Haare in Fußball-Hexagone hat formen lassen...

Menschenrechte auf zweierlei Art...

In Großbritannien geht es einmal mehr um die Menschenrechte: "Tenby car ban human rights query" titelt die BBC. Die in den Sommermonaten mit Autos vollgestopfte walisische Touri- und Küstenstadt Tenby möchte nämlich glatt im Juli und August in der Innenstadt den Verkehr begrenzen. Klar, dass nach einer Menschenrechtskommission gerufen werden muss. Schuld an diesen schlimmen Zuständen hat nach britischer Auffassung natürlich die EU (das sind die BürokratInnen, die mit ihren Menschenrechten den britischen Souverän einschränken wollen).

Eine wichtigere Meldung der BBC betrifft noch sehr rudimentäre Überlegungen zu einer Amnestie illegaler EinwandererInnen. Mensch vermutet in GB zwischen drei- und achthunderttausend, die legalisiert werden könnten. Mensch beachte auch die Daily Telegraph Schlagzeile "Amnesty plan for 500,000 illegal migrants", während der zuständige Staatssekretär eigentlich in einem Parlamentsausschuss auf Nachfrage nur gesagt hatte, dass es noch zu früh sei (er ist auch erst seit etwa einer Woche im Amt), eine Amnestie-Gesetz völlig auszuschließen...

Nachwehen der Pressekonferenz...

Und der erste Artikel über fluequal@Puch...

... hier im Standard. (über die österreichische Presseagentur)

Wo sind die anderen?

Kopftuch = Körperverletzung?

Derweil die Soziologin Necla Kelek weiterhin die falsche europäische Toleranz bekämpft und das Kopftuch (zumindest im Islam, von Nonnen und Bäuerinnen hat sie nicht gesprochen) als Körperverletzung ansieht, wie sie im Standard darlegt, schreibt Fahimeh Farsaie, Autorin und Journalistin iranischer Herkunft, einen satirischen Einbürgerungsroman mit dem Titel "Eines Dienstags beschloss meine Mutter Deutsche zu werden".

Kriminelle und andere AusländerInnen...

In Großbritannien will man nicht die ach so kriminellen EinwandererInnen beim Einwandern überwachen, sondern beim Auswandern: ausländische VerbrecherInnen sollen eigentlich nach Haft gleich ausgewiesen werden, was aber verpasst wurde. So erfährt die britische Öffentlichkeit von SexualstraftäterInnen, von denen mensch nicht einmal mehr den Aufenthaltsort in GB wisse, und dass es noch Jahre dauern würde, "to fix immigration system", wie die Chefin des Immigration and Nationality Directorate klarstellte...

Die Sprachendiskussion läuft in GB aber etwas anders als in Österreich: Gordon Browns (Finanzminister und Blair-Nachfolger in spe) Attacke auf EinwandererInnen, die nicht Englisch lernen würden, schaut von der Peripherie, den keltischen Nationen Schottland und Wales, als anti-schottisch und anti-walisisch aus (peinlich, denn Brown ist selbst Schotte), ein Zeitungsleser fragt etwa: "One of my close neighbours, originally from the Indian subcontinent, is fluent in Gaelic acquired during the years he worked in the Western Isles. Would he be liable for deportation if he had refused to learn English? Where does that leave the enhanced status of Gaelic in Scotland promoted by the executive?" (Achtung: Gälisch, die "Ur"-Sprache Schottlands, ist sowenig ein englischer Dialekt wie Deutsch ein französischer Dialekt, es handelt sich jeweils um Sprachen ganz unterschiedlicher Sprachfamilien.)

Einen excellenten Kommentar zu dieser Situation in Großbritannien, lehrreich auch für Österreich, schreibt Ruth "Wishart im Herald.

Web Watch auf amerikanisch...

Die AmerikanerInnen posten nicht mehr, sie handeln - jeder soll, so die texanischen Pläne in Zukunft die Grenze mitüberwachen... über Webcams! (Hier im Standard)

Wettbewerb: wie werde ich Humankapital los in 10 Tagen...

Max Koch (Liga für Menschenrechte, SOS Mitmensch) spricht im Standard-Interview über den Wettbewerb:

"Es ist ja geradezu wie auf der Börse hier, jeden Tag werden neue Kurse ausgerufen, morgen schieben wir 300.000 ab, übermorgen 500.000 – es herrscht ein regelrechter Wettbewerb. Bei jemandem, der das weniger differenziert sieht, der vielleicht Angst um seinen Arbeitsplatz hat, löst das natürlich schon etwas aus."

Er analysiert den aktuellen Wahlkampf als Ablenkungsmanöver vom aktuellen Politikversagen, welches Zukunftsängste ausgelöst hat, die mit einer komplexitätsreduzierenden Problemdefinition ("Sündenböcke") bearbeitbar sind.

Und - es gibt sage und schreibe 834 LeserInnen-Postings dazu... Derweil greift der Alltags-Rassismus in Österreich um sich, wie Sybille Hamann hier in der Presse beschreibt.


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