Samstag, 26. Mai 2007

Fremdenrecht in Salzburg: Männer abschieben und Asylwerberinnen in Kopftücher stecken

Ach ja, heute morgen poppt Google Alert in mein Email-Fach. Den Artikel kenn ich doch...

Derweil beriet am vergangenen Mittwoch, 23.05.2007 der Verfassungs- und Verwaltungsausschuss des Landtages Salzburg einen FPÖ-Antrag betreffend die Abschiebung von straffällig gewordenen AsylwerberInnen, der in geänderter Fassung von ÖVP, SPÖ und FPÖ gegen die Grünen angenommen wurde und nach welchem die österreichische Bundesregierung aufgefordert werden soll, einerseits unter Einhaltung der österreichischen Verfassung straffällig gewordene AsylwerberInnen unverzüglich abzuschieben und in der Kriminalstatistik rückwirkend und fürderhin die Straffälligkeit von AsylwerberInnen nach Bundesländern aufzuschlüsseln.

Diese Aufforderung finde ich nicht ganz unbedenklich. Mensch bedenke nur, dass es zur Zeit Bestrebungen auf EU-Ebene gibt, dass (dank schwammiger Definitionen auch private) Urheberrechtsverletzungen zukünftig nicht nur zivilrechtliche, sondern grundsätzlich auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen sollen (vgl. Übersicht z. B. hier und hier). Nun würde die Idee, alle österreichischen Youngsters, die sich schon mal bei FreundInnen ein paar CDs gebrannt haben, nach Tschetschenien abzuschieben, außer vielleicht bei ein paar VertreterInnen der Musikindustrie ;-) wenig Verständnis auslösen. Die gleiche Verhältnismäßigkeit sehen die Landesparteien offenbar für AsylwerberInnen nicht gegeben.

Gut daher, dass Landeshauptfrau Burgstaller zugleich eine Änderung des Fremdenrechts forderte, nämlich integrierte ÖsterreicherInnen in spe nicht abzuschieben. Die Grünen haben denn auch gleich einen entsprechenden Entschließungsantrag (besonders für Familien) gestellt, der dann aber leider leider doch auf den 20.06.2007 verschoben werden musste (wir sind gespannt).

Ich kann dem Klubobmann der FPÖ Karl Schnell in diesem Zusammenhang nur gratulieren, wenn er in die gleiche Kerbe haut und sagt, er stehe zum Asylrecht und wolle Flüchtlinge in Zukunft stärker schützen. Ich hoffe, die FPÖ steht hier zu ihrem Wort.

Ein Blick auf die FPÖ-Homepage ernüchtert leider etwas:
erst einmal wird die katholische Kirche verunglimpft (oder handelt es sich bei dem Bild gar nicht um Nonnen in Ordenstracht) - nein ernsthaft, was sollen eigentlich unsere Asylwerberinnen denken? 85% unserer ProjektteilnehmerInnen tragen kein Kopftuch (auch wenn einige deshalb in ihren Heimatgesellschaften und sogar weiteren Familien bei Abschiebung mit ziemlich schlimmen Konsequenzen rechnen müssten),und dennoch werden Asylwerberinnen ständig so porträtiert. Damit unterdrückt, so leid es mir tut, die österreichische Gesellschaft aktiv Frauen, denen jenseits des Kopftuchs keine Eigenschaften zugestanden werden. Na toll. (Enttäuschend.)

Vielleicht wäre es stattdessen effektiver, die Frauen selbst zu empowern. So geht das aber nicht. Denn nicht jedes Kopftuch bedeutet gleich eine vollkommen nicht mehr als Subjekt vorhandene Frau. Genauso wie es auch Frauen geben soll, die sich ohne Büstenhalter unwohl fühlen, ihn tragen anstatt ihn zu verbrennen, und trotzdem in anderen Gebieten für sich selbst stehen können. Damit soll nicht etwa irgendwelchen Ganzkörperverkleidungen das Wort geredet werden, nur die männliche Jagd auf Ausländerinnen mit Kopfttuch in Blogistan und anderswo ist unerträglich und hilft wenig gegen männliche Dominanz.

Als zweites fällt die Liste der Straftaten der AsylwerberInnen aus Sicht der FPÖ auf. Also wenn mir ein Asylwerber ein Handy klaut und damit teuerstens nach Hause telefoniert, dann hab ich doch nichts davon, wenn er abgeschoben wird, dann soll er gefälligst hier arbeiten und mir jeden Cent zurückzahlen (sorry, jetzt bin ich etwas populistisch - aber damit bin ich ja nicht allein ;-).

Mir macht eher die sinkende Aufklärungsquote bei und die steigende Zahl von strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben sowie gegen die Sittlichkeit Sorgen. Und hier scheinen AsylwerberInnen nur am Rande involviert.

Unbenommen natürlich der Tatsache, dass es zwischen AusländerInnen in letzter Zeit wohl einige Fälle, hier, hier auch, gab - hier gilt es grundsätzlich eher von Anfang an präventiv zu denken, dass heißt, wie kann Sorge dafür getragten werden, dass in anderen Ländern geltende Einstellungen -mensch denke nur an Schusswaffen in den USA- unter Bedingungen äußersten psychischen Drucks (Enge in Quartieren, keinen Kontakt, keine Möglichkeit, irgendetwas zu tun oder gar z.B. Deutsch lernen, Befürchtung jederzeitiger Abschiebung usw.) trotzdem nicht handlungsleitend werden?

Übrigens hat dies mit anderen Ländern (oder AusländerInnen) weniger zu tun, als auf den ersten Blick zu vermuten - schließlich schießt nicht jede AmerikanerIn wild durch die Gegend. Zugleich geschieht vieles im Verborgenen (wir wissen z. B. aus der Schweiz, dass die überall vorhandenen Waffen wohl am häufigsten ein auch unterwschwelliges Druckmittel von Männern gegen die eigenen Ehefrauen und FreundInnen darstellen (*)). Mittlerweile gibt es auch aus der Straffälligenrehabilitation, vor allem von jugendlichen gewalttätigen Burschen, die halt schneller zuschlagen als denken, einige Trainingsansätze, die einüben sollen, erst einmal innezuhalten und sich nicht seiner eigenen Wut hinzugeben. Vielleicht lässt sich davon einiges auf den Umgang mit einigen AsylwerberInnen übertragen. Dummerweise kenne ich unter den AsylwerberInnen niemanden, der es wirklich nötig hätte. Allzu viele werden es wohl nicht sein.


(hier der Artikel in der Landeskorrespondenz, hier bei Salzburg.at)



(*) Vgl. die mittlerweile beühmte Annabelle-Petition. Die aber die Schweizer Nation spaltet - hier z. B. ein Kommentar eines Gregors im Kommentar zum entsprechenden Blick-Artikel:

Wenn man nett zueinander ist, wird auch nicht geschossen. Allein die Waffe im Hause bringt noch keinen Schaden. Es ist ja nicht so, dass Männer einfach so Amok laufen. Aber wer tageintagaus gemobbt und mit psychischer Gewalt fertig gemacht wird, der schiesst irgendwan zurück. Nein Annabelle Männer sind nicht immer Täter und Frauen Opfer.
Gregor, Zürich
Ach Gott, die armen Männer. Aber das Recht aufs Zurückschießen für AsylwerberInnen ("tageintagaus gemobbt und mit psychischer Gewalt fertig gemacht") wäre doch mal was... (okey, Sarkasmus - aber warum weist eigentlich die Schweiz nicht alle Männer aus. Und österreich gleich auch, denn Männer sind definitiv häufiger gewalttätig als Frauen. Sarkasmus Ende, aber in dem Zusammenhang freut es mich, dass die FPÖ sich dazu bekennt, dass nicht alle Männer -oder AsylwerberInnen- für ein paar Straffällige in Sippenhaft genommen werden.)





update kriminelle AsylwerberInnen: hier über einen in Vorarlberg von "reisenden Asylwerbern aus anderen Bundesländern" begangenen Einbruch. Was fällt auf? "dass die Bevölkerung [...] verdächtige Wahrnehmungen" sofort melde, und natürlich "dass man die Asylwerber in Vorarlberg nicht unter Generalverdacht stellen möchte". Aha.


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