Donnerstag, 12. April 2007

Bekenntnisse eines anonymen Wilfers

Ja, ich bin ein Anonymer Wilfer, oder so. Ich wilfe nämlich ab und zu. Hach, was für ein Wort. Stammt aus einer Studie im Auftrage von http://www.moneysupermarket.com, sagt der Standard und steht für sinnloses Herumsurfen (nach Richard Sennett wäre dieses Sich-treiben-lassen ja ein Grundkonstituum unserer Gesellschaft, des neuen Kapitalismus, und nicht nur des Internets). Gerade eben habe ich wieder gewilft. Ich war doch tatsächlich neugierig, wer sich hinter "der Insider-Homepage moneysupermarket.com" (O-Ton Standard) verbirg. Zuerst wird ein Popup-Fenster geblockt, dann meldet mir die Seite, dass sie mich ohne Cookies nicht mag. Na, dann eben nicht.

Errare humanum est

Unsere fluequal-work iT!-TeilnehmerInnen, allesamt Flüchtlinge, die wenig Deutsch können, haben sich ja wirklich großartig engagiert und sicher an die 200 Webseiten auf Deutsch geschrieben (muss mal zählen). Darunter auch einen Artikel über "Die Stadt Salzburg", der allerdings so anfängt (eine undesignte Vorschau findet sich hier):
Das Bundesland Salzburg erstreckt sich über 7155 km² und zählt gegenwärtig bei 700 000 Einwohner
Jetzt liege ich den AutorInnen, den Karaev(a)s schon seit Ewigkeiten in den Ohren, dass sie das doch bitte korrigieren, denn Salzburg hat natürlich nur rund 530.000 EinwohnerInnen (darunter knapp 65.000 AusländerInnen, also 12,3%). Ich habe mich ja immer gefragt, woher sie, die ja recherchiert haben, die Zahl von 700.000 hatten. Aber bei der Landesverwaltung scheint es ja ähnlich herzugehen, wie uns der Zweite Salzburger Landtagspräsident Michael Neureiter glaubhaft versichert:
Eine Meldung der „Landeskorrespondenz“ über die Öffentlichen Bibliotheken lässt Gerlinde Rogatsch und andere Informierte aufhorchen
„Mehr als 800.000 Salzburgerinnen und Salzburger nutzen das Angebot der Bibliotheken.“
Worauf der Landesstatistiker sich auf die Suche nach mindestens 270.000 bisher anonymen Salzburgerinnen und Salzburgern macht.
Überhaupt - ich habe mich immer köstlich über solche Fehler amüsiert (und ich freu mich ja auch immer, wenn ich andere durch meine Bildungslücken zum Lachen bringe, und nicht zu Tränen der Verzweifelung ;-) .

Zu den wirklich gelungensten Beispielen gehört der Salzburger Monat etwa hier, wo die Stadt Salzburg ihre Bildungskompetenz im schulischen Bereich, die "beste[n] Rahmenbedingungen im pädagogischen Umfeld" herausstreichen möchte - mit EDV- und Englisch-Unterricht als "österreichische[s] Vorzeigeprojekt". Der Artikel beginnt allerdings unter der Überschrift "Coole Schule" hochtrabend halbgebildet so:
Der alte Seneca wusste Bescheid. "Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir". Und dass zum Leben im 21. jahrhundert nicht nur ABC und 1x1 gehören, sondern auch neue Medien, Sprachen und Musik, Sport und gesunde Ernährung, ist an Salzburgs Pflichtschulen klar.
Tja, Seneca "wusste Bescheid" - er "wusste" genau das Gegenteil. In seinen "Epistulae morales ad Lucilium“, Liber XVII (106, 112) schrieb er:
non vitae sed scholae discimus
also: Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.
Und die Bildungsspezialisten in Salzburg wissen auch genau Bescheid ;-) Nein, ehrlich - so ein Fehler kann immer passieren. Ich zum Beispiel "weiß Bescheid", weil wir als Schulkinder im Lande Baden-Württemberg regelmäßig eine Schulkinder- und Elternzeitschrift vom Kultusministerium erhielten, wo genau dieser Satz ebenso falsch drin stand. Mit der Folge empörter LeserInnenbriefe - ist ja klar, die ganzen LateinlehrerInnen lesen mit. Und so hab ich gespannt auf die Richtigstellung im nächsten Salzburger Monat gewartet. Vergebens!
Aha. Wird der Salzburger Monat von diesem Zielpublikum nicht gelesen? Oder sind diese in Salzburg zu höflich / ehrerbietig / was auch immer, auf den Fehler hinzuweisen? Oder sind das alles auch nur Lurker wie ich?

(ergänzend: über Bildung hatte ich ja hier einige Anmerkungen gemacht, aber es lohnt, den Absatz von Seneca einmal voll zu lesen, hier die Übersetzung - ach hätte ich auch so elegant übersetzen können, und die Sybillinischen Bücher nicht mit Kinder der Sybilla übersetzt, die ins Feuer geworfen worden wären)

Ja, der Salzburger Monat - da wurde z. B. Sangerhausen (in Sachsen-Anhalt!) zum "sächsische Sangerhausen". Gut, dass ich den Artikel dort niemand gezeigt habe. Und was passiert, wenn AsylwerberInnen etwas über 700.000 SalzburgerInnen schreiben?

Der gestrige Ritt durch die Zeitungen

Gestern mal die Zeitungsmeldungen durchgegangen: In Salzburg Stadt schießen die Asylanten aufeinander (im Streit um eine Frau), vor den kanarischen Inseln schießen sie mit Molotowcocktails auf die EU-Küstenwacht, die sie zurückschieben möchte (vgl. hier - SalzburgerInnen machen doch solche Sachen nicht), und wer so nicht reinkommt, lässt sich "für jeweils ungefähr 5000 Euro an Türken" verkaufen ... (oder hab ich da etwa Täter und Opfer verwechselt? Frauenhandel sei sehr eng mit den restriktiven Fremdenrecht verknüpft, meint Salomonowitz im Standard-Interview)
Bestimmt sind diese Ausländer auch an der eingestürzten Mauer schuld (der Hotelier wars schließlich nicht).

Gibt es denn nichts positives? Doch, ein wenig sexy Exotik in der Salzburgarena.

Wird Zeit, dass der Westen denen mal zeigt, wo's langgeht. Westliche Zivilisation. Frauenrechte, die westliche Errungenschaft, die bei dieser Gelegenheit immer hervorgeholt wird. Bei uns herrscht ja Gleichberechtigung, nicht die Glaubensgemeinschaft. Das geht dann so oder auch so, mit diesem Ergebnis - fast beschwert man sich als Mann, dass die Frauen das Sagen haben. Aber nur fast - wir sind ja eine aufgeklärte, demokratische und so weiter Gesellsch... kurz gesagt, die gute Seite der Welt. Da sollten sich die Amis, denen wir ja überlegen sind, mal ein Beispiel nehmen.

Kurz gesagt: Wir haben "die Nase voll von den Steuergeldern, die an Schwarze und Araber verteilt werden". Oh, dass sagt ja mal nicht ein Österreicher, sondern ein Unterstützer von Le Pen. Ist das ein Guter, wie Strache und Haider, oder ist das so ein rechter? Oh, diese Unterstützer sind ja Araber (und hier). Oh, so einer ist ja auch gegen die "Homo-Ehe". Ein "praktizierender Moslem"? Passt eigentlich gut zu den oben beschriebenen Anwälten der "Würde der Frau"."Ils ont tout cassé!"

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