Montag, 29. Mai 2006

10 heiße Tage...

10 Tage lang stand in Österreich "Integration" im Fokus der Öffentlichkeit. Hintergrund ist eine Studie des Innenministeriums, die vor allem zeigt, dass ZuwandererInnen ein heterogenes Völkchen sind (welch Wunder) und unterschiedlich starke Probleme (Sprache, Alltagsdiskriminierungen) mit der Aufnahmegesellschaft hätten, mithin also die Integration noch nicht abgeschlossen sei. Während Barbara Herzog-Punzenberger dies für eine "nette Seminararbeit" hält, sieht die österreichische Gesellschaft für Soziologie gröbste methodische Mängel (zur Forderung nach Offenlegung der Studie siehe hier).

Grundsätzlich scheinen die Schlüsse des Innenministeriums teilweise tatsächlich seltsam - zwar wäre es gerechtfertigt zu sagen, dass religiös-konservative Vorstellungen wie "kein Sex vor der Ehe" in Österreich mittlerweile Distanz zur Mehrheitsgesellschaft offenbaren, die entsprechenden KatholikInnen, Muslime usw. allerdings als "integrationsunwillig" zu sehen - naja... Einmal abgesehen davon, dass der Begriff "integrationsunwillig" in der Studie gar nicht vorkommt. Auch in anderen Studien schaut es etwas anders aus: die Uni Wien etwa kommt auf 7% ZuwandererInnen, die aus religiösen Gründen Probleme mit der Integration hätten, eine EU-Vergleichs-Studie des ZSI sieht Probleme vor allem in der Dequalifizierung von ZuwandererInnen in Österreich (die relativ unabhängig von den Deutschkenntnissen stattfinde).

Entsprechend wechselte Prokop auch die Terminologie ( z. B. in einer ORF-Diskussion) und Studienautor Rohe sprach von Distanz auf beiden Seiten (wie immer sind die LeserInnenkommentare das eigentlich bemerkenswerte, und bei letztverlinktem Artikel sind das immerhin 1319) - diese ehemalige "Integrationsunwilligkeit" betrifft etwa 40% der Eingeborenen-, verteidigte aber die Typologisierung (Al-Rawi dazu: "Keil in die muslimische Gemeinde"). Der deutsche Jurist und Richter Rohe selbst ist im Standard-Interview vor allem enttäuscht über die österreichische Kritik.

Die großen muslimischen Vereine zeigten sich besorgt über die aktuelle Integrationsdebatte im Wahlkampf ( hier in der oberösterreichischen Variante), eine (etwas obskure) Islamische Jugend Österreichs forderte Prokops Rücktritt (für eine katholische Reaktion siehe hier). Caritas und Diakonie sahen die Studie vor allem vor dem Wahlkampf und erhoben ihre warnende Stimme.

Tatsächlich sehen einige KommentatorInnen die Integrationsdebatte vor dem Wahlkampfhintergrund. Sonja Fercher im Standard etwa, die von den Hürden der "Integrationswilligen" in Österreich erzählt, Markus Rohrhofer, der die Regierung nur an einer "Hosentaschen-Integration" interessiert sieht (oder vgl. z.B. hier über die neue ÖVP-FPÖ-Konkurrenz).

Dem Vorwahlkampf ordnet auch der Sprachwissenschaftler De Cillia im Standard-Interview die Studienpräsentation zu.

"Wahltaktisches Getöse" sieht auch FPÖ-Strache, während das BZÖ den Zeitpunkt von Prokops "going public" kritisierte.

Wie könnte also "Integration" vorangetrieben werden? (Zum Begriff Integration und seinen Voraussetzungen siehe dieses Interview mit Integrationsforscher Bauböck) Hans Magenschab im Standard sah die ganze Diskussion um Integration schon vor hundert Jahren, nur damals mit den "integrationsunwilligen" TschechInnen in Wien. Die aktuelle Emotionalisierung jedenfalls führe eher zu mehr Gewalt, so die verschiedensten AkteurInnen, aber für ausländische Frauen in Österreich könne mensch schon mehr tun (Sprachkurse, Arbeitsmarktintegration, ...) - unklar bleibt aber bei dem Artikel, warum "die Bereitschaft, die Staatsbürgerschaft anzunehmen, ein Parameter, an dem die Integrationsbereitschaft gemessen werden kann" sei: warum sollte ein Wiener, der im ostdeutschen Magdeburg die Musikschule führt, unbedingt die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen?

Viel diskutiert wird um Integration in der Schule (vor dem Hintergrund steigender Zahlen moslemischer SchülerInnen und der schlechten Förderung von MigrantInnenkindern)- etwa durch Umverteilung der SchülerInnen (Standard hier und hier), mehr statt weniger LehrerInnen, eine längere Schulpflicht oder -wie von der islamischen Glaubensgemeinschaft gefordert - eine 50%-Grenze in der Klasse für Kinder nichtdeutscher Muttersprache verbunden mit einem offeneren (durchmischteren) Wohnungsmarkt (vgl. zu den schon durchmischten Gemeindewohnungen hier). Ach ja, und die FPÖ fordert eine Schweinefleischgarantie... (zum Kommentar hier)

Noch ganz allgemeiner postuliert Michael Landau in der Presse: "Die Kulturdebatte ist zu führen!" Der Gastkommentator der Presse fordert hingegen, Österreich solle egoistisches Einwanderungsland werden, denn am "Integrationsfiasko" sei Österreich nicht schuldig, sondern die ZuwandererInnen. Im Standard jedenfalls müssen sich (auch?) die ZuwandererInnen zumindest integrieren, wenn nicht assimilieren. In jedem Fall sollen sie so überzeugte DemokratInnen und FrauenrechtlerInnen sein wie die ÖsterreicherInnen selbst...


Derweil wird unter österreichischer Präsidentschaft (mit einem übrigens im EU-Vergleich geringem AusländerInnen-Anteil, vgl. für die Herkunftsländer hier) auch auf EU-Ebene diskutiert - über mehr oder weniger sicherere Herkunftsländer etwa. Strittig ist unter anderem, ob Frauen in die Genitalverstümmelung zurückgeschoben werden sollen ( vgl. auch hier). Wie fassen die Salzburger Nachrichten zusammen: "Die EU tut sich mit Fortschritten in Richtung einer harmonisierten Asyl- und Einwanderungspolitik schwer." Auch ein paar Etagen niedriger wird getagt, über Rassismus zum Beispiel und über Meinungsfreiheit und "Verantwortungsbewusstsein". Über das Versagen der EU bei den Menschenrechten diskutiert hingegen Amnesty (vgl. auch hier, hier Standard-Kommentar), eine Kritik, die auch Österreich trifft: "Vom Rechts- zum Machtstaat". Auch in Oberösterreich ist eine heftige Asyl-Debatte entbrannt.

Währenddessen berichtet die Presse vom Flüchtlings-"Kollaps auf den Kanaren" und dem Vormarsch der Neonazis in Deutschland,wo es zur Zeit eine Serie ausländerfeindlicher Gewalt gibt, die Befürchtungen um das Image während der Weltmeisterschaft weckt (z. B. bezügl. No-Go-Areas).

Das Abschlusswort habe Papa Schüssel, der zusammenfasst: Die meisten Zuwanderer seien großartige Menschen.

Hirsi Ali - umgeben von Sklavinnen

Hirsi Ali - von den Salzburger Nachrichten über den Standard bis zur Presse (auch hier), und die Presse fragt denn auch: "Warum bloß sind wir süchtig nach Geschichten von geschundenen Frauen aus dem Orient?"

Gender Mainstreaming und patriarchale Traditionen

Die Sozialwissenschaftlerin Ilse König spricht im Standard-Interview über Gender Mainstreaming, Ruth Wodak über patriacharlische Traditionen.

Hinweis auf das...

...Bildungsseminar der LEFÖ vom 6.-8. Juli zum Thema: "Frauen.Arbeit.Migration. - unvermeidbar, unverzichtbar? Wer profitiert am meisten davon?"

Evangelische Kirche kritisiert Asylpraxis

Schlagzeile Der Standard: Evangelische Generalsynode kritisiert Asyl- und Fremdenrechtspraxis - Aufforderung an Bundesregierung, Praxis "im Sinne der humanitären Tradition" zu verändern

Genitalverstümmelung in Europa

Alleine in Deutschland 30.000 Fälle von Genitalverstümmelung, berichtet die Standard.

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